Den Verwaisten gewidmet
Seine Dornenkorne
Nahmen sie ab
Legten ihn ohne
Die Würde ins Grab.
Als sie gehetzt und müde
Andern Abends wieder zum Grabe kamen
Siehe, da blühte
Aus dem Hügel jenes Dornes Samen.
Und in den Blüten, abendgrau verhüllt
Sang wunderleise
Eine Drossel süss und mild
Eine helle Weise.
Da fühlten sie kaum
Mehr den Tod am Ort
Sahen über Zeit und Raum
Lächelten in hellem Traum
Gingen träumend fort.
(Bertolt Brecht)
Die Tage von Karfreitag bis über Ostern sind besondere Tage.
Tage voller Trauer und Schmerz, Tage voller Hoffnung und Ahnung.
Bertold Brecht drückt in seiner Karfreitagslegende diese Stimmung auf eindrückliche Art und Weise aus.
Müde, gehetzt, traurig, entsetzt über die Brutalität des Kreuzestodes, über Folter und Hass, sind die Menschen an den Gräbern dieser Welt, damals aber bis heute genauso.
Ohne Würde werden auch in unserer Zeit viele ins Grab gelegt, wenn überhaupt.
Und dann trotz allem das Aufblühen, und sei es am Grab, und sei es auf den Trümmern dieser Welt und des Lebens.
Und dann trotz allem der Gesang eines Vogels, leise, wie von weither, aber unüberhörbar, tröstlich.
Und dann trotz allem die Hoffnung, dass der Tod nicht alles bestimmt, dass es weitergeht, dass ein Weg sich weisen wird, dass Verbindung bleibt über die Grenze von Zeit und Raum hinweg, und dass der Traum von Friede, von Licht nicht zerstörbar ist.
Das ist Ostern: Kein Triumph , kein lauter Sieg mit Gewinnern und Verlierern, aber auch kein Glaubenssalto, der geleistet werden muss gegen jede Realität, sondern die Erfahrung, dass trotz all des Schreckens dieser Welt, trotz des Leids, das hin und wieder auch uns trifft, dass trotz alle Hoffnung möglich ist, ein Lächeln, die Stimme eines Neuanfangs.
Ich wünsch uns in diesen Frühlingstagen, dass wir hin und wieder über Zeit und Raum hinwegsehen und träumen, vielleicht sogar lächeln.