Unabhängig davon, ob wir im Sommer Ferien geplant haben oder nicht, wir sind draussen. Wann immer es geht, sind wir im Garten am Arbeiten oder am Geniessen, je nach Tageszeit und Gemütsverfassung.
Wir hegen und pflegen, wir träumen und faulenzen, wir lassen uns von der Sonne wärmen und den Wind durch die Haare wehen.
Wir sind in den Bergen unterwegs oder streifen durch die schattigen Wälder, wir spazieren den Flüssen entlang oder sitzen am Ufer eines Sees.
Wir geniessen die Farbenpracht der Blumen, die Süsse der Sommerfrüchte, und die Harmonie der Elemente. Klänge, Düfte, Farben… der Sommer spart nicht mit seinen Geschenken.
Seit altersher wurde gesagt und erlebt, dass im Sommer Hitze und Kälte, Regen und Trockenheit in einer guten Balance sind, der Erde und den Menschen bekömmlich.
Sicherlich war dies auch schon früher nicht in jedem Jahr so. Doch in letzter Zeit scheint doch so einiges aus dem Gleichgewicht zu geraten. Da gibt es Zeiten, in welchen alles viel zu nass ist und Jahre, wo schon im Juni viel zu vieles dürr geworden ist.
Es gibt auch in unseren Breitengraden Sommer mit vielen Menschen, die an der sommerlichen Hitze leiden und gar sterben und andernorts bringen reissende Fluten Tod und Zerstörung. Bergstürze und das Auftauen des Permafrosts tragen das ihre zur Instabilität bei.
Die Mutter Erde, die uns über Jahrtausende Stabilität und Leben ermöglichte, scheint ausser Rand und Band zu geraten, der feste Grund unter unseren Füssen beginnt zu wanken und damit auch das Vertrauen ins Leben.
Was tun wir Menschen, wenn wir verunsichert sind und die Zukunft fragwürdig wird?
Das Volk Israel damals, unterwegs durch Wüsten und Steppen, immer wieder von Hunger und Durst geplagt, auf der Suche nach Heimat und zunehmend hoffnungslos, hat sich Verhaltensregeln gegeben für ein gutes Miteinander. Die Euphorie des Auszugs aus Ägyptern war längst verflogen, die Freiheit hatte ihren Reiz verloren und es ging darum, herauszufinden, wie eine tragfähige Gemeinschaft, eine zukunftsoffene Gesellschaft aufgebaut und erhalten werden kann.
So entstanden die Zehn Gebote, in den biblischen Geschichten ein Geschenk von Gott an Mose und das Volk Israel. Keine Verbote und Einschränkungen also, sondern Hilfestellungen für ein gutes Leben auch in einer noch sehr unsicheren Zukunft.
Davon hat sich ein unbekannter Autor inspirieren lassen und die uns vertrauten biblischen Zehn Gebote auf die ganze Schöpfung, auf unser Verhalten in einer Zeit voller Verunsicherungen interpretiert. Er hat die zehn Gebote der Schöpfung formuliert.
Ich wünsche uns in diesem Sommer, dass wir hin und wieder spüren und uns bewusst machen, was wir geschenkt erhalten haben: Verlässliche Wurzeln in der Erde, Leben spendendes Wasser, Wärme und Licht zum geniessen und erkennen, und die Luft zum atmen und träumen.
Und ich wünsche uns, dass wir die zehn Gebote der Schöpfung in unserem Herzen bewegen und in unserem Leben wurzeln lassen. Mögen sie blühen und Früchte tragen.
Renate von Ballmoos, Pfarrerin Oberbalm
Die zehn Gebote der Schöpfung
«Ich bin der Herr, dein Gott» – der Herr der ganzen Schöpfung.
«Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!»
Lass dich nicht von Sachzwängen beherrschen.
Du bist nicht der Herr der Welt, sondern Geschöpf unter Geschöpfen.
«Du sollst den Namen deines Gottes nicht missbrauchen!»
Beanspruche Gott nicht zur Durchsetzung oder Tarnung deiner Interessen, die die Schöpfung gefährden oder zerstören.
«Du sollst den Feiertag heiligen!»
Gönne auch deiner Umwelt die notwendigen Atem- und Erholungspausen.
«Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!»
Erkenne, dass du eingebunden bist in die lange Geschichte alles Lebendigen.
Du trägst Verantwortung für heutiges und zukünftiges Leben.
«Du sollst nicht töten!»
Morde weder Mensch noch Tier.
Zerstöre keine Pflanze, weder gedankenlos noch absichtlich.
Lerne neu die Ehrfurcht vor dem Leben.
«Du sollst nicht ehebrechen!»
Zerstöre nicht die Gemeinschaft alles Geschaffenen.
«Du sollst nicht stehlen!»
Leben nicht auf Kosten anderer, und verbrauche nicht mehr, als du tatsächlich brauchst.
«Du sollst nicht falsches Zeugnis reden!»
Verharmlose nicht die grossen Gefahren, die der uns anvertrauten Schöpfung drohen.
«Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut»
Zügle deine Begehrlichkeit nach mehr und mehr,
damit auch die kommenden Generationen leben können.
(Aus: Des Lebens Tiefe, Herder Verlag, 1991)