
Immer im Herbst, wird unsere Welt nochmals intensiv farbig. Das Herbstlicht leuchtet, der Himmel ist oft tiefblau und die Herbstblumen zeigen sich in ihrer ganzen Pracht. Und auch die Bäume sind an Schönheit kaum zu übertreffen. In allen Farben leuchten sie um die Wette, kurz bevor dann die ersten Herbststürme die Blätter losreissen und davontreiben.
Es ist, als ob kurze vor dem Verwelken, kurz vor dem Winter das Leben nochmals in vollen Zügen gefeiert werden möchte, auch von der Natur.
Für mich ist das kein Aufbegehren gegen die Zeit, gegen den Lauf der Dinge, gegen die Vergänglichkeit allen Lebens, sondern ein nochmals aus vollen Zügen die Fülle geniessen und zeigen, bevor dann Welken und Abschied naht.
Mich dünkt, wir Menschen könnten von den Bäumen lernen. Irgendeinmal ist auch in unserem Leben der Sommer vorbei und die Herbstzeit angesagt. Irgendeinmal nimmt unsere Kraft ab und es geht nicht mehr darum, neue Blüten wachsen zu lassen, Projekte aus dem Boden zu stampfen oder der jungen Generation vorzuschreiben, was und wie sie leben und arbeiten soll, sondern es geht darum, das was war und werden durfte, anzuschauen, wertzuschätzen in seiner ganzen Schönheit dankbar anzunehmen.
Dankbarkeit und Freude für all das Schöne, welches war und ist, im Bewusstsein, dass jetzt bald schon Welken, und Loslassen angesagt sind.
Davon schrieb Gerhard Schmid, den ich vor vielen Jahren kennen lernen durfte.
Sein Sonett auf einen Kirschbaum kann uns zum herbstlichen Nachdenken anregen.
Sonett auf einen Kirschbaum
Auf einem Kirschbaum ausgegossen lag
ein dunkel glühend Rot. Es war zu sehn
wie abendlichen Dämmerscheins Vergehn,
und doch: es war am hellen lichten Tag.
Ich stand betroffen – fragte mich, wie mag
ein Baum, so kurz vorm Winterschlafe, stehn
in solcher Pracht, die selbst ich nicht gesehn,
als Bienen um ihn schwärmten Tag für Tag.
Das ist gewiss: armselig neigt er nicht
aus diesem Leben sich zum Wintertod.
S’ist eher wie ein Blühn, das auch Verheissung hat.
So sann ich lang – und ändernd sein Gesicht,
stand dunkler nun der Baum. Sein dunkles Rot
verdämmerte… da fiel sein erstes Blatt.
(Gerhard Schmid)