Karfreitag ist in reformierten Gegenden ein Tag mit besonderer Stimmung. Er ist ein <<Feiertag>>, ein freier Tag, an welchem wir ausschlafen und es gemütlicher nehmen können als sonst. Doch diese Gemütlichkeit will gar nicht so recht passen an diesem Tag, weil eben Karfreitag ist, ein Tag, an welchem viele Restaurants und Läden geschlossen sind und auch Kinovorstellungen und Sportveranstaltungen kaum stattfinden. Keine leichte Unterhaltung, sondern Ernsthaftigkeit also.

Wir Christinnen und Christen erinnern uns am Karfreitag an den Tod Jesu, an diese brutale, sinnlose, menschenverachtende Hinrichtung des Menschen Jesus von Nazareth durch die römischen Machthaber. Wir gedenken an diesen Tag aber auch unzähliger anderer Hinrichtungen und sind uns der heutigen Kriege und ihrer Opfer stärker bewusst als anderen Zeiten. Wir sind sensibilisiert für das Leiden von Menschen und Schöpfung.

Das Karfreitagsgeschehen, die Kreuzigung Jesu wurde seither in unzähligen Versuchen gedeutet:

  • Der Tod Jesu von Nazareth sei stellvertretend für den Tod von Menschen, den wir eigentlich alle verdient hätten wegen all unserer Versämnisse und <<Sünden>>, und deshalb versöhne uns dieser Tod mit Gott.
  • Das Sterben von Jesus von Nazareth und sein Aufstehen nehme unsrem irdischen Tod seinen <<Stachel>>, seinen Schrecken, seine Letztgültigkeit.
  • Im Leiden und Sterben sei Jesus ganz nahe bei all den leidenden und sterbenden Menschen aller Zeiten.

Es sind Versuche, zu verstehen und zu deuten, was damals erlebt wurde. Es sind Versuche, dem Grauen und Leiden, dem Abgründigen doch noch einen Sinn abzugewinnen. Wir Menschen brauchen das, denn in der Sinnlosigkeit vermögen wir nicht zu leben.

Die Dichterin Silja Walter schrieb in einem ihrer Gedichte: <<Du hast dich als Netz über den Nichts aufgehängt>>. Das Netz über dem Nichts ist für mich ein eindrückliches Bild für das Karfreitagsgeschehen.

Am Karfreitag begegnen wir dem Nichts. Wir spüren dieses Nichts. Es lässt uns schaudern und frösteln, es bedroht unser Lebenskraft und alles Lebendige. Christliches Vertrauen aber hofft und ahnt mit der Klosterfrau Silja Walter, dass sich Jesus von Nazareth durch sein Leben und Sterben über diesem Nichts als Netz aufgehängt hat und dass wir, wenn wir denn Todesangst springen müssen, aufgefangen werden.

Das Nichts bleibt und mit ihm seine Bedrohung und seine absolute Lebensfeindlichkeit. Wir Menschen aber, und mit uns alles Lebendige, werden aufgefangen durch das Netz der geheimnisvollen, liebenden, göttlichen Gegenwart.

Dafür bin ich dankbar, deshalb feiere ich Karfreitag und Ostern.

Renate von Ballmoos

<<Du hast dich als Netz über Nichts aufgehängt,

aber täglich springe ich hinein in die Todesangst meiner Geburt.

Die gelbe Katze weint auf dem Dach, sie wagt es nicht.

Ich reisse sie mit>> Silja Walter